Die biomechanische Wirkung des Exoskeletts

Mélissa Moulart, Ingenieurin für Biomechanik im wissenschaftlichen Zentrum von Japet, beantwortet alle Fragen rund um die biomechanische Wirkung des Exoskeletts.

Die biomechanische Wirkung des Exoskeletts

 

Wie können wir die biomechanische Wirkung eines Exoskeletts messen?

Für die Messung der biomechanischen Wirkung eines Exoskeletts werden vorrangig drei Parameter untersucht: die Wirkung auf die Muskulatur, die Wirkung auf das Skelett, und die Wirkung auf den energetischen Aufwand.

– Die Messung hinsichtlich der Auswirkung auf die Muskulatur erfolgt normalerweise via EMG-Sensoren (Elektromyogramm, Anmerkung der Redaktion). Die Untersuchung besteht darin, für ähnliche Bewegungen die Muskelaktivität mit und ohne Verwendung des Exoskeletts zu vergleichen und dann bestimmte Parameter, wie z.B. Durchschnittswerte, Standardabweichungen, Viertelwerte, Spitzen, usw. zu analysieren.

Aktuell befinden sich noch weitere Datenerhebungsverfahren in der Entwicklung, wie z.B.:

MMG (Mechanomyographie, Anmerkung der Redaktion), bei der die Geräusche der Muskulatur analysiert werden. Diese Methode ist aufgrund der erforderlichen Nachbearbeitung weniger verbreitet. Es gibt auch noch andere, langfristig angelegte Tests, wie z.B. der Ausdauertest oder der Krafttest mit einem isokinetischen Gerät.

– Die Messung der Auswirkung auf das Skelett erfolgt üblicherweise über die Aufzeichnung der Bewegung, z.B. unter Verwendung von Trägheitsmessgeräten (IMU) oder Nahinfrarotkameras, und die anschließende Integration dieser Daten in eine Simulationssoftware. Dies ermöglicht, anhand inverser Dynamik die Belastung in jedem Gelenk zu berechnen.

– Die Ermittlung der Auswirkung auf den energetischen Aufwand ist dagegen viel schwieriger. Es ist sehr interessant, das Gleichgewicht zwischen dem körperlichen Aufwand (Sauerstoffverbrauch, Herzfrequenz, usw.) und dem biomechanischem Aufwand (in Bezug auf Kinetik, Bewegung) zu untersuchen. Zwischen diesen beiden Aufwänden besteht natürlich ein Gleichgewicht, und dieses Gleichgewicht darf vom Exoskelett nicht gestört werden.

Schränken Exoskeletts die Gefährdung durch biomechanische Risikofaktoren ein?

Der eigentliche Vorteil des Exoskeletts besteht darin, hochbeanspruchte Gelenke zu entlasten. Aus biomechanischer Sicht müssen wir den Körper unbedingt als Ganzes betrachten. Ein Vorteil des Exoskeletts ist seine Fähigkeit, Spitzenbelastungen der Muskulatur, die oft mit falschen Bewegungsabläufen in Zusammenhang stehen, zu minimieren.

Es ist jedoch nicht möglich, allgemeine Aussagen über die Wirkung des Exoskeletts zu treffen, da sich die Exoskeletts hinsichtlich ihrer Designs unterscheiden. Jedes Exoskelett ist einzigartig. Allerdings können wir richtungsweisende Aussagen für einzelne Produktgruppen (untere Gliedmaßen, obere Gliedmaßen, Rücken) machen.

Bis jetzt gibt es nur sehr wenige Informationen über die langfristige Wirkung von Exoskeletts; was können Sie zur langfristigen Wirkung sagen?

Die Institute INRS und AFNOR arbeiten sehr intensiv an der Erstellung eines normativen Regelwerks für die Verwendung von Exoskeletts.

Aktuell laufen unterschiedliche Studien. Um jedoch die Auswirkungen verstehen zu können, bedarf es einer richtigen biomechanischen Studie. Bei Produkten wie dem unsrigen ist es notwendig, langfristig zu prüfen und sicherzustellen, dass die Effekte für gesunde Menschen nachvollziehbar und für erkrankte Personen förderlich (weniger Schmerzen bei richtiger Haltung) sind. Dafür ist es erforderlich, Studien mit allen Arten von Menschen durchzuführen und ausreichend Daten zu sammeln.

In den folgenden Jahren müssen regelmäßige Studien durchgeführt werden, um Rückblicke zu ermöglichen und um ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis zu verifizieren. In 5 bis 10 Jahren wird der Rückblick ausreichend sein. Es liegt in der Verantwortung der Hersteller, den Kontakt mit den Kunden aufrecht zu erhalten und zu prüfen, ob und welche Probleme Kunden haben, denn es besteht die Gefahr, dass Nutzer aufhören das Produkt zu tragen (weil es für sie nicht geeignet ist), diese Information jedoch nicht bei den Herstellern ankommt.

Exoskeletts sind wie Medikamente – man braucht klinische Beweisdaten. Da es sich um ein Medizinprodukt handelt, muss Japet seine Aussagen anhand klinischer Studien validieren und seine Nutzer begleiten, um die mit der Verwendung des Produkts verbundenen Risiken kontrollieren zu können.

Warum ermöglichen Exoskeletts nicht das Heben schwererer Lasten?

Das Exoskelett wurde dahingehend entwickelt, ein jeweils bestimmtes Körperteil zu entlasten. Wenn Sie nun die Last erhöhen, werden Sie sich wieder in einer ähnlichen Situation wie der Ausgangssituation befinden und das Exoskelett wird seinen Zweck – nämlich die Entlastung der Gelenke – nicht mehr erfüllen können, sondern stattdessen die Aufgabe eines externen Muskels übernehmen.

Abgesehen vom Militär, bei dem es sich um einen speziellen Fall handelt, ist es ein Fehler, mehr Gewicht tragen zu wollen, da dadurch das Problem nur verlagert aber nicht gelöst wird. Wenn zum Beispiel jemand mit Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSD), dessen Beschwerden durch das Heben von 10 kg schweren Lasten verursacht wurden, nun Lasten in Höhe von 20 kg hebt, wird dies weitere Krankheitsverläufe auslösen, denn: diese Person leidet schließlich an MSD.

Worauf liegt, aus biomechanischer Sicht, bei heutigen Exoskeletts das Augenmerk?

Für die Designer von Exoskeletts ist es wichtig, Studien am gesamten Körper durchzuführen, um eine ganzheitliche Sicht über die Auswirkungen ihrer Geräte zu erhalten und um die Ausrichtung auf ein bestimmtes, einziges Gelenk zu vermeiden. Es ist recht schwierig, globale Studien durchzuführen, da diese eine umfangreiche Implementierung erfordern. Wenn wir Menschen bitten, Messungen für uns vorzunehmen, müssen sich diese in maximal einer Stunde erledigen lassen – von der Installation der Sensoren bis hin zur Deinstallation. Für die Durchführung weitreichender Studien wird natürlich viel mehr Zeit benötigt.

Unternehmen müssen ihrerseits sicherstellen, dass die Anwender das Exoskelett unter den richtigen Bedingungen tragen, also u.a. das Zeitlimit für die Nutzung einhalten. Zu Beginn müssen Analysen häufiger und regelmäßiger durchgeführt werden. Später reicht es, einmal pro Jahr eine Nachuntersuchung durchzuführen. Wenn ein Unternehmen merkt, dass seine Mitarbeiter das Exoskelett nicht mehr verwenden, oder umgekehrt, das Exoskelett häufiger als empfohlen verwenden, müssen entsprechende Fragen gestellt und analysiert werden.

Es ist außerdem wichtig, die entsprechenden Ämter für Arbeitsschutz einzubeziehen, da diese potenzielle Probleme bei der Nutzung des Exoskeletts vorhersehen oder erkennen können.

Nutzer sollten nicht einfach mit dem Exoskelett leben, sondern lernen, es in solchen Situationen, in denen sie es wirklich benötigen, zu verwenden.

Weshalb sind Exoskeletts aus Ihrer Sicht nützlich für Unternehmen?

Exoskeletts sind Innovationen, die aufgrund eines tatsächlich vorhandenen Bedarfs entwickelt wurden.

Es gibt Arbeitsplätze, die aus unterschiedlichsten Gründen (Sammelsurium an Geräten, eingeschränkte Platzverhältnisse, usw.) nicht entsprechend ausgerüstet werden können. Das Renteneintrittsalter verschiebt sich immer weiter nach hinten; die Menschen arbeiten länger und nicht immer unter guten Bedingungen. Exoskeletts können wirklich etwas verändern, allerdings müssen die Veränderungen vernünftig umgesetzt werden. Das Anlegen eines Exoskeletts ist keine einfache Sache.

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